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Paradise Lost – Obsidian – Review

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Gastredakteur: gla

Alles unter einem schwarzen Deckel bei Paradise Lost

Mit „Obsidian“ veröffentlichen Paradise Lost bereits ihr 16. Album in 32 Schaffensjahren. Es erschien am 15.Mai bei Nuclear Blast Records, so wie der letzte Silberling „Medusa“ vor drei Jahren. Passend zum Corona- und Brexit-Jahr 2020 bringen die Briten eines ihrer bisher schwärzesten, aber auch kommerziellsten Werke auf den Markt. Warum Fans von Paradise Lost schon wieder umdenken müssen, erklären wir hier.

Eruptives Gestein als Namensgeber

Obsidian entsteht, wenn glühende Lava auf kaltes Wasser trifft und abkühlt. Vulkanglas wie dieses splittert leicht und wird schon seit Urzeiten als scharfkantige Waffe und Werkzeug, andererseits aber auch zur Wundheilung genutzt. In der Esoterik werden diese Steine als Seelenspiegel bezeichnet. Alles zusammen vermag erklären, warum Paradise Lost „Obsidian“ als Titel für ihr neues Album wählten. In einer Zeit, wo Normalität zerbricht, trifft es damit voll ins Schwarze und schneidet scharfkantig ins Fleisch.

Fischen im dunkelbunten Teich

Die musikalisch, rhythmisch und technisch bis ins Kleinste ausgefeilten Songs auf dem neuen Silberling angeln sich Fans im weiten Raum harter Spielarten. „Ich mag es, verschiedene Stile zu kombinieren, das Subtile mit den Vollgas-Sachen zusammenzubringen“, bringt Frontman Nick Holmes es auf den Punkt. Melodisch und in moderatem Tempo wechseln die Briten zwischen freudlosem Death und Doom („Fall from Grace“), tanzbarem Goth-Rock („Darker Thoughts“) und zornig-gegröhlter Härte („Serenity“). Oder anders gesagt, von flotten Grooves bis hin zu tiefschwarzer Endzeitstimmung ist an alle gedacht. Der musikalische Spagat ist gewollt, denn sich selbst zu wiederholen, ist nicht die Präferenz von Paradise Lost.

Geheimnisvolles Gedankengut

Sie erzählen dunkle Geschichten um Verdammte, Geister und Teufel, epische Gelassenheit, das Ende aller Tage und eine Hoffnung, die jung stirbt. Gerätselt werden darf nach wie vor über die schwierig zu deutenden Botschaften („What we don’t know will set us free“) in den Songs. „Holmes, der die Mystik seiner Band bewahren und aufrechterhalten will, erklärt nur zögerlich die Details seiner Texte“, heißt es dazu in der Pressemitteilung zur Veröffentlichung. Doch vielleicht eignet sich Paradise Losts eigene Krypto-Lyrik ja dazu, sich unbewusst Verborgenes bewusst zu machen?

Obsidian“ im Detail

  • Schon der Opener „Darker Thoughts“ besticht durch ein episch inszeniertes Klanggefüge aus symphonischen Parts mit Streicherklängen, Klargesang und Growls, sowie einem packenden Goth-Rock-Part mit beherrschenden Gitarrenriffs. „Darker Thoughts“ flutscht direkt in die Gehörgänge und setzt die Messlatte für das noch zu Hörende hoch.
  • Auf den Flügeln des saitendominierten, sich hinschleppendem „Fall From Grace“ reiten sie weiter und zurück zu ihren Death-Doom-Wurzeln. Die Band aus Halifax, Yorkshire, zeigt hier, wie nicht nur die britische Trostlosigkeit derzeit bestens vertont werden kann: Mit einem wehklagenden in Dauerschleife vorgetragene „We´re all alone“.
  • Bei der Goth-Rock-Nummer „Ghosts“ stehen unverkennbar Fields Of The Nephilim und Sisters Of Mercy Pate. Aber tanzbare 80er Grooves, grummelnde Bässen, triumphierende Gitarren und knarzigem Gesang haben auch Paradise Lost im Programm.
  • Kopfkino an für das melodramatische Sterben in „The Devil Embraced“, zusammengefasst in sechs spannungsgeladenen Minuten. Der Dialog aus Klargesang „I’m tired of dreams, I’m tired of almost everything“ und tiefen Growls „Foolish trust, in reverent pain, Foolish trust, the Devil embraced“ unterstützt die unheilvolle, wütende Stimmung magisch. Die musikalischen Richtungswechsel vom Dark Rock über Gothic Metal bis zum Death Metal wieder und die musikalischen Richtungswechsel irritieren, ,
  • Mit „Forsaken“ leiten Paradise Lost über zum klassisch inszenierten Dark Rock Part. Die Pseudo-Ballade steht für die Experimentierfreudigkeit der Band auf diesem Album und liefert, was Goth mögen. Doch nach einem starken Beginn mit Chorgesang und Gitarrengewitter gleitet der Song leider ab ins Mittelmaß.
  • Serenity“ erinnert mit knarzigem Gesang, den typischen Rock-Riffs und einem ordentlichen Brett Metal überzeugend an „Draconian Times“. Eine starke Nummer, die zum Headbangen auffordert.
  • Sicher sollte im Spannungsbereich dieses Albums eine elegische Endzeitstimmung nicht fehlen. Diese muss nicht so opulent präsentiert werden, wie die Doom-Titel. Doch mit stimmlich rauer Reflektion, gezähmten Gitarren und unspektakulären Elektronikeinsätzen wie bei „Ending Days“ oder „Hope Dies Young“ gelingt es nur marginal, den Spannungsbogen zu halten.
  • Nach den letzten zwei Songs heißt es für die Metalfans aufwachen, denn für sie kommt das Beste am Schluss: „Ravenghast“. Ein auswegloser Song von unnützen Kämpfen, von dem Holmes sagt, er fühle sich an wie ein wilder Ritt auf einem Pferd. Zähflüssiger Death-Doom in Perfektion, mit schweren, langsamen Gitarrenriffs, gezügelten Drums und tief aus der Gruft der Kehle geknurrte Botschaften. Wären da nicht diese Tastentüpfel oder das melodische Klanggerüst, welches Paradise Lost allen Songs verpasst haben, der wütende Galopp dieses Closers käme explosiv wie ein Vulkanausbruch.

Mehr als einmal hören

Musikalisch gesehen ist das vielschichtige „Obsidian“ auf breiten Erfolg ausgerichtet. Paradise Lost schaffen es mit ihrer Experimentierfreude, ihre Hörer bei Laune zu halten, trotz Dramatik und Leiden. Wer sich mit dem vorherrschenden Gleichklang an düsteren Musik noch nicht abgefunden hat, der findet unerwartet Schätze auf „Obsidian“: Fesselnde Songs im angepassten Mid-Tempo, die trotz Ecken und Kanten öfter auf dem Plattenteller liegen werden. Anhänger harter Rockmusik und Sisters-Fans sollten dieser kreativen Scheibe eine Chance geben, für Puristen ist sie weniger geeignet.

Punkte: 8,5 von 10

Tracks:
1. Darker Thoughts
2. Fall From Grace
3. Ghosts
4. The Devil Embraced
5. Forsaken
6. Serenity
7. Ending Days
8. Hope Dies Young
9. Ravenghast

Paradise Lost „Obsidian“
Label: Nuclear Blast Records, veröffentlicht am 15. Mai 2020
Länge: 45:18
Musikrichtung: Dark Rock, Gothic Metal, Death Metal, Doom Metal

Paradise Lost im Web
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Die Band:
Nick Holmes | Gesang
Greg Mackintosh | Lead Gitarre
Aaron Aedy | Rhythmus Gitarre
Steve Edmondson | Bass
Waltteri Väyrynen | Schlagzeug