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Hämatom im Interview

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Hämaton haben uns mit ihren Longplayer „Berlin – Ein Akustischer Tanz auf dem Vulkan“ nicht nur abwechslungsreiche Beats und unterschiedliche Stilrichtungen abgeliefert, vielmehr vermochten sie es, uns in ihren Bann zu ziehen. So total angefixt von der Band war es nicht verwunderlich, dass ihr am 03. Dezember erschienenes Album „Die Liebe ist Tot“ bei uns die vollen 10 von 10 einheimsen konnte. Natürlich wollten wir dem Vierer auch ein paar Fragen zu dem Album und anderen Dingen stellen und freuen uns sehr, dass die Band sich Zeit dafür genommen hat.


Michaela:
Ihr werdet ja oft im NDH-Genre angesiedelt ,aber so 100% passt ihr da ja nicht rein. Gerade, wenn man das neue Album „Die Liebe ist Tot“ oder auch den „Berlin“-Longplayer betrachtet. Wie würdet ihr selbst als euren Musikstil bezeichnen?

OST: Wir machen Musik auf die wir Bock haben. Manchmal ist es Metal, manchmal Blast, manchmal NDH, manchmal wird´s kitschig oder schnulzig, manchmal ist ne Prise Punk drin oder eben wie bei BERLIN ne Mischung aus Jazz, Ska und Big Band. In meinem Leben gibt es diese Klassifizierung nicht. Es gibt gute und schlechte Musik, alles andere interessiert mich herzlich wenig.

Michaela: Stört es euch, wenn die Medien schreiben, Hämatom ist eine Neue-Deutsche-Härte-Band oder findet ihr es okay, dass man euch mit Rammstein, Eisbrecher und Co. in einen Topf wirft?

OST: Wie gesagt ist mir das völlig Latte. Meiner Meinung nach gibt es eh keinen Topf in den man uns hineinwerfen kann, zumindest nicht einen, in dem schon ne Band liegt. Allein durch die Freiheit, die wir uns immer wieder nehmen, keine musikalischen Grenzen zu ziehen, sind wir schon sehr alleinstehend mit unserem Stil.

Michaela: Ihr nehmt bei den Texten ja nicht wirklich ein Blatt vor den Mund. Wer schreibt die Texte und wo kommen die Inspirationen dazu her?

OST: Anfänglich haben wir durchaus versucht Texte gemeinsam zu schreiben, was so ziemlich die bescheuertste Idee war, die man als Künstler haben kann. Das ist als würde man Politik machen und am Ende kommt nur ein fauler Kompromiss raus, der keine Sichtweise konsequent widerspiegelt. Mittlerweile kommen fast alle Texte aus meiner Feder, wobei ich mit SUED eine moralische Überinstanz habe, die die Lyrics nochmal unter die Lupe nimmt und mich auch mal auf Dinge hinweist, die ihr nicht gefallen. Was die Inspiration angeht, dann ist das schlicht und einfach das Leben. Das was uns tagtäglich umgibt. Sachen die man liest, sieht, erlebt. Die Wut, die in einem hochkommt, wenn man mal wieder gequirlte Verbalkacke von AFD Abgeordneten hört oder die Freude an der man teilhaben kann, weil in deinem Freundeskreis ein Kind zur Welt kommt. Alles kann ein Thema in einem HMTM Song werden, wenn es unsere Herzen berührt und wir den richtigen Ansatz finden, es in ein passendes Lied zu packen.

Michaela: Was ist euch wichtiger: Der Erfolg eines Albums oder dass ihr Spaß beim Lieder schreiben und einspielen habt? Also würdet ihr zum Beispiel Abstriche bei den Texten machen, damit der Silberling sich besser vermarkten lässt?

OST: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde Erfolg ist mir scheißegal. So ist das nicht. Natürlich wollen wir mit unserer Musik so viele Leute wie möglich erreichen. So große Tourneen wie möglich spielen und am Ende auch so viel Applaus bekommen wie´s nur geht. Das ist unser täglich Brot. Dafür haben wir uns irgendwann entschieden dieser Leidenschaft nachzugehen. Aber genauso klar ist es für uns, dass wir diesen Applaus für das richtige bekommen wollen. Für die Musik, Texte und Aussagen hinter denen wir stehen. Außerdem glaube ich nicht an diese durchaus verbreitete Theorie, dass man mehr Fans gewinnt, wenn man kommerzieller wird. Das mag für Helene Fischer und Co. gelten, aber nicht für alles außerhalb des Mainstreams. Da würde ich sogar sagen, erreichst du nur etwas, wenn du Kante zeigst und aneckst. RAMMSTEIN wären doch niemals da wo sie sind, würden sie bei ihren Texten Abstriche machen. Das gleiche gilt für K.I.Z., TRAILERPARK KNORKATOR, METALLICA, SLAYER… ach, ich könnte noch Stundenlang so weiter machen;-)


Michaela: Die Leute da draußen und mich würde es ja interessieren, welches eure Lieblingstracks auf den letzten zwei Alben waren?

OST: Bei BERLIN kann ich nur von mir sprechen, da habe ich nicht mehr auf dem Schirm, was die anderen favorisieren. EIN HERZ UND EINE KEHLE ist der Song, den ich auf diesem besonderen Album wohl am meisten mag.
Was DIE LIEBE IST TOT angeht, da kann ich das für den Rest durchaus sagen, weil wir doch schon einige Interviews zu dem neuen Album geführt haben. Trommelwirbel:

NORD: ICH HASSE EUCH ALLE

SUED: FICKEN UNSREN KOPF

WEST: LIEBE AUF DEN ERSTEN FICK

OST: DAGEGEN

Michaela: Wie kommt es zu den Gastauftritten auf euren Alben, schreibt ihr erst die Songs und sucht dann nach einer passenden Band oder läuft das eher umgekehrt?

OST: Das ist tatsächlich unterschiedlich. Als wir zB mit Samy Deluxe gearbeitet haben, fingen wir bei 0 an und schrieben den Song gemeinsam fertig. Bei FICKEN UNSREN KOPF, auf den du wahrscheinlich anspielst, hatten wir den Track bereits geschrieben, wollten aber unbedingt ein Feature mit einem HipHop Act haben. Als dann unser Manager die 257ers in den Raum warf, waren wir Feuer und Flammen und zum Glücken sahen das die Jungs aus Essen genauso. Dann wurde innerhalb von glaube ich 4 Tagen alles zusammengeschraubt und das Lied finalisiert.

Michaela: Ihr habt auf euren Alben immer wieder sehr sozialkritische Texte. Wie sucht ihr eure Themen aus und was würdet ihr an der Welt ändern, wenn ihr es könntet?

OST: Eine sozialkritische Haltung ist nichts, was man sich aussucht. Sie steckt in dir und ist dir so wichtig, dass du sie unbedingt in Songs verpacken willst oder eben nicht. Also verarbeiten wir das, was uns in dieser Welt auf den Geist geht und versuchen dadurch im besten Fall Denkanstöße zu provozieren und im schlimmsten Fall zumindest unsere Wut abzubauen.

Wenn du mich fragst, was ich konkret verändern würde, dann sind da so viele Sachen, die gerade falsch laufen, dass wir dafür ein eigenes Interview bräuchten. Aber ich kann man versuchen drei Sachen aufzuzählen:

01.Mit aller Macht das soziale Ungleichgewicht in Deutschland und auf der ganzen Welt bekämpfen.

02.Despoten, Schergen und prinzipiell von Lobbyisten gesteuerten Politkern die Macht wegnehmen und wieder an das Volk zurückgeben.

03.Das Gesundheitssystem in Staatshand nehmen. Niemand sollte Profite mit Krankheiten machen dürfen.

04.Ein 365 Euro Ticket für Bahn und den öffentlichen Nahverkehr einführen, mit dem das ganze Jahr überall und zu jeder Zeit reisen kann.

Fuck! Das waren jetzt schon wieder vier. Was soll ich machen, ich bin nun mal ein sehr gerechtigkeitsliebender Mensch

Michaela: Was ist eurer Meinung nach die beste Medien-Plattform, um eure Musik an den Mann zu bringen?

OST: Mittelweile wohl Spotify.

Bildrechte liegen bei der BandMichaela: Welche Art von Musik hat euch in der Kindheit begleitet und dadurch ja vielleicht auch dazu bewegt selbst Musiker zu werden?

OST: Ich komme aus Polen, da war es nicht einfach gute Musik zu hören. Ehrlicherweise habe ich auch kaum Musik gehört bis ich mit 10 Jahren nach Deutschland kam. Dann verlor ich mein Herz für 3 Jahre an ROXETTE und E.A.V, bevor mich mein Vater (BLACK SABBATH, LED ZEPPELIN) und NORD (ACCEPT, METALLICA etc.) zum Metal bekehrten. Dass ich Musiker werden will, stand für mich übrigens direkt nach dem ersten Konzert, das ich jemals gespielt habe fest. Ich war wie verzaubert von all dem was den Rock`n`Roll umgibt und wollte nie wieder etwas anderes machen.

Michaela: Es fällt mir auf, dass immer mehr Bands bei Neuveröffentlichungen Box-Sets anbieten. Wie seid ihr auf die Zusammenstellungen der Nord-, Süd-, Ost-, West-Boxen gekommen oder gab es vielleicht sogar Anreize von den Fans, was diese gerne mal als Beilage zur CD hätten?

OST: Nun, das ist wirklich kein neuer Trend. Das macht wohl nahezu jede Band seit mindestens 15 Jahren. In unserem Fall, war es so, dass wir tatsächlich von den Fans immer wieder darum gebeten wurden mal Original-Masken in die Boxen zu packen. Wir dachten, das würden wir niemals realisiert bekommen. Aber da uns Corona ja eine Menge Zeit geschenkt hat, in der wir nicht wussten, was wir tun sollten und wir zufällig einen guten Kontakt zu einem Maskenbauer bekamen, ging dieser Wunsch dieses Mal tatsächlich in Erfüllung, was uns wirklich sehr glücklich auf der einen Seite und sehr traurig auf der anderen Seite macht, denn was sollen wir nach so einer Box zukünftig noch draufsetzen?

Michaela: Ihr habt euch nach den Himmelsrichtungen benannt. Wie sieht das mit euren Persönlichkeiten aus, seid ihr da auch eher sehr unterschiedlich oder passt man sich nach den Jahren an seine Bandmitglieder an?

OST: Tatsächlich spiegeln die Himmelsrichtungen wunderbar unsere Charaktere wieder. NORD ist ein sehr kühler, introvertierter Typ, der kaum über seine Gefühle spricht. SUED ist der gut gelaunte, warmherzige Bro, den sich jede Schwiegermutter am Sonntag zum Essen wünscht. WEST trägt seinen Reichtum in Form von goldenen Ringen und einem viel zu großen Audi zur Schau und ich komme bekanntlich aus Polen und hab eine Leber, die mit jedem russischen Bauarbeiter mithalten kann… also ja, wir sind sehr unterschiedlich.

Michaela: Retro ist ja immer mal wieder in. Auf welche Retro-Sachen, ob musikalisch oder anderweitig, könnt würdet ihr gerne verzichten und was wünscht ihr, sollte wiederkommen?

OST: Kennst du diese Karottenhosen, die man gleichzeitig über den Bauchnabel zieht? Furchtbar, das kann gerne verschwinden. Auch, dass Nazis wieder durch die Strassen laufen und auch noch eine Partei haben, die im Bundestag ihre Werte vertritt, kann von mir aus lieber heute als morgen wieder in die Tonne. Ansonsten würde ich mir wünschen, dass Musik wieder eine größere Wertschätzung erfährt. Dass man Alben entgegenfiebert und in den Laden gehen muss um sie zu bekommen. Ich bin zwar der erste, der morgens Spotify anmacht, dennoch vermisse ich diese Magie, die früher ein Release in sich hatte. Jetzt werden pro Tag 80.000 Songs ins Netz geladen, wir ersticken an dem Überfluss und Musik ist zu einem belanglosen, Fast Food Objekt geworden, das nach einer Woche kaum mehr jemanden interessiert.

Michaela: Wenn ihr euren Fans noch ein paar letzte Worte mit auf den Weg schicken möchtet, habt ihr hier die Möglichkeit dazu.

OST: Stay kränk!

Ich bedanke mich recht herzlich bei euch für das Interview und hoffe, euch bald wieder live erleben zu dürfen.