Start Allgemein Mit dem Fahrrad von Warburg nach Wacken

Mit dem Fahrrad von Warburg nach Wacken

1108
0

Eine Anfrage in der Wacken Open Air Fangruppe auf Facebook weckt Interesse: „Gibt es eventuell andere Metalheads, die genauso bekloppt in der Birne sind wie ich und mit dem Rad anreisen?“ Bei unserem Treffen in der Sumpfblume hat Michael B. keine Energie mehr in seinen Beinen. Dafür die maximale Freiheit im Sein und Tun.

Ungeplanter Zwischenstopp in Hameln

620 Kilometer werden hinter ihm liegen, wenn er Anfang nächster Woche in Wacken ankommt. Gestartet ist Der Micha, wie er sich auf Facebook nennt, in seinem Heimatort Warburg, Stand Hameln über den Weserradweg ab Bad Karlshafen sind es 170 Kilometer. Beim Treffen quatschen wir über sein erstes Wacken 2016, Radtouren zum Runterkommen und wie sich Leben jenseits der geplanten Komfortzone anfühlt.

Heute quält Nässe den 43jährigen ehemaligen IT-ler. Regendicht ist die Jacke von außen, doch darunter sammelt sich trotz funktioneller Kleidung der Schweiß vom Radeln. Büchler fröstelt beim Rauchen. In der Rattenfängerstadt wartet nach einem anstrengenden Regentag eine bequeme Hotel-Übernachtung auf den Wackengänger – nach der geräuschvollen, schlaflosen letzten Nacht auf dem Heinser Campingplatz. Dauerregen, nasses Zelt, ein verspäteter Tagestart – Vorboten der kommenden Festivalwoche?

Mit ZZ Tops Klassiker „La Grange“ auf den Ohren radelt es sich wie geschmiert, sagt er. Sein wertiges Rad und die Ausrüstung, funktional und kompakt, bietet alles, was er zum Campen benötigt. Wobei Wäsche waschen spätestens jeden dritten Tag auf ihn wartet. Sein Tipp für unterwegs: Gefriergetrocknete Trekking-Nahrung in Bio-Qualität.

Der Radler verweist belustigt auf seine Bier-App, die die verbrauchten Kalorien seines Strampelns in Gerstenbräu umrechnet, in Hameln sind es bereits 29 halbe Liter. Bis Wacken Anfang der Woche dürfte es eine gesundheitsgefährdende Menge sein. Es ist nicht seine erste lange Radtour, doch die erste nach Wacken. Dort wird er gemeinsam mit Freunden sein fünftes W:O:A feiern. Wie es dazu kam, ist vermutlich typisch für die Szene der Metalheads.

Ein kostenloses Ticket to Wacken

2016 bewunderte er in einer Kneipe die Wacken-Tattoos und Festivalbändchen seines Banknachbarn. Und erzählte diesem von seinem Wunsch, einmal Wacken zu erleben. Der andere erzählte, keinen Urlaub bekommen zu haben, ging daraufhin zu seinem Auto und schenkte Büchler seine Eintrittskarte. Der fährt und findet Gesellschaft. Und ist seitdem angefixt.

„Ich habe einfach das Gefühl, ich muss ein Festival im Jahr machen, um den Computer in meinem Kopf neu zu starten.“ Zitat Der Micha

Zumindest Iron Maiden und Judas Priest stehen für den geschmacklich breit aufgestellten Musikliebhaber erneut auf dem Programm, bei Metal darf es für ihn gerne etwas disharmonisch sein, sagt der Prong-Fan. Letztlich stehen etwa sieben Bands täglich auf seiner To-See-Liste. Wobei die unter dem sich frei Treibenlassen leiden werden, welches sich im Festivalmodus einschleicht, denn „Die schönste Zeit hatte ich auf Festivals immer auf dem Campground“, stellt er fest.

Derzeit renoviert der Computerarbeiter sein Elternhaus, eine komplett andere Tätigkeit: Handwerk.  Und philosophiert: „Jeder von uns sucht etwas, was einen befriedigt… Die Kunst zu leben ist, etwas zu finden, was einem selbst etwas zurückgibt und das in sein eigenes Leben einzubringen. Und vielleicht auch, dass man davon leben kann.“ Der Warburger bedauert die vielen Jobs in seinem Leben, wo er sich fehl am Platz gefühlt hat. Dazu kommen Pflegejahre für seinen Vater, die er als gemeinsam verbrachte Quality-Time bezeichnet.

Während Corona schleicht sich eine Social-Distance-Bequemlichkeit bei ihm ein und irgendwann stellt er fest: Sich vom Bildschirm zu lösen, fällt schwer. Dabei gab es in seiner Erinnerung doch etwas, was ihn dazu gebracht hat, mit vielen Tausend Menschen zu feiern und aus dem Gewohnten auszubrechen.

Dazu merkt Michael an: „Leute finden, die genau so verrückt sind, wie man selber, die einen psychologischen Schaden haben, mit denen man kompatibel ist. In einer kreativen Realität. Viele, die ich kennengelernt habe, haben anspruchsvolle Jobs. Triffst du die mit Schlips und Kragen, würdest du nie auf die Idee kommen, die gehen auf so ein Festival, wo sie eine völlig andere Seite ihrer Persönlichkeit ausleben.“ Oder auf merkwürdige Ideen kommen, wie beispielsweise ein Experiment seiner Freunde, Stephans Bräu auf einem Gaskocher bis zum Schwinden der Kohlensäure zu verkochen.

So geht es für ihn zurück ins Abenteuer Leben, rein in die Atmosphäre, genießen, wie alle füreinander da sind und friedlich miteinander umgehen. Über Wacken sagt er: „Wenn ich da bin, möchte ich die Metalheads am liebsten alle umarmen.“ Für ihn fasst es das Banner vor Ort am besten zusammen: „Willkommen zuhause.“ Oder Ankommen und sich wohl fühlen. „Das Gefühl hatte ich an ganz wenigen Orten bisher“, stellt Der Micha fest.

Das Wacken Open Air vom 2. bis 5. August 2023:

110.000 Teilnehmer, 85.000 zahlende Besucher, ausverkauft nach fünf Stunden

Ticketpreis: 299 Euro, dazu Camping- und Müllgebühren

Die auftretenden Bands (ohne Gewähr): 0% Mercury, Abbath, Acoustic Steel, Ad Infinitum, Adrian Kühn und Franzi Kusche, Alestorm, Alien Rockin’ Explosion, All for Metal, All Hail the Yeti, Amaranthe, Amorphis, Andrelamusia, Aneuma, Angus McSix, Asrock, Autumn Bride, Baest, Battle Beast, Beartooth, Be’Lakor, Beyond the Black, Biohazard, Blaas of Glory, Blacksheep, Black Mirrors, Black Tooth, Blitzkid, Bloodbath, Brand of Sacrifice, Brunhilde, Bütcher, Burning Witches, Caliban, Cam Cole, Carpathian Forest, Cellar Darling, Cemican, Chaosbay, Chuan-Tzu, CobraKill, Crematory, Cypecore, Damnation Defaced, Dark Tranquillity, dArtagnan, Death in Taiga, Defleshed, Deicide, Delain, Depressive Age, Deprivation, Der W, Detraktor, Dezperadoz, Disesanera, Dog Eat Dog, Donots, Doro, Drain, Dropkick Murphys, Dust Bolt, Dying Fetus, Eivor, Empire State Bastard, Employed to Serve, Enemy Inside, Ensiferum, Erasing Mankind, Ereb Altor, Evergrey, Erik Cohen, EvilDead, Extinct, Eyes, Fadrait, Faun, Ferocious Dog, Finntroll, Focus, Forastero Western Metal, Frog Bog Dosenband und die beschissenen Sechs, Frozen Soul, Get the Shot, Ghetto Ghouls, Ghostkid, Hardbone, Hafensaengers, Hammerfall, Harpyie, Havukruunu, Heaven Shall Burn, Heavy Metal Barpiano (George Heinle), Helloween, Hidden Intent, Holy Mother, Horrid Sight, Hostage, Igorrr, Imminence, Immolation, Iron Maiden, J.B.O., Jag Panzer, Jinjer, Kärbholz, Kataklysm, Killswitch Engage, Knife, Koldbrann, Konvent, Kreator, Krownest, Leaves’ Eyes, Left Ovr, Legion of the Damned, Lord of the Lost, Maltworm, Mambo Kurt, Marco Mendoza, Marty Friedman, Masterplan, Megadeth, Mesmera, Messticator, Metaklapa, Metternich, Middle Grounds, Misery Oath, Mit ohne Strom, Mr. Hurley & die Pulveraffen, Monsters of Liedermaching, Morast, Motörizer, Mutz & The Blackeyed Banditz, My Own Ghost, Nervosa, Nestor, Neverland in Ashes, NVLO, Objector, Omnivortex, Pennywise, Pentagram, Peter Pan Speedrock, Peyton Parrish, Phantom Excaliver, Plainride, Possessed, Our Promise, Ozzyfied, Pensen Paletti, Raging Speedhorn, Rauhbein, The Real McKenzies, Redeemed by the Blood, Rezet, Riot City, Sable Hills, Saltatio Mortis, Santiano, Sascha Paeth’s Masters of Ceramony, Schandmaul, Schizophrenia, Screamer, Sever, Skálmöld, Skew Siskin, Skindred, Skyline, Sleep Token, Slowly Rotten, Sólstafir, Son of Tomorrow, Strigampire, Supernova Plasmajets, Swartzheim, Takida, Tanzwut, Taste of Greed, Terror, The Answer, The Good the Bad and the Zugly, The Night Eternal, The Raven Age, The Uke Boys, The Vintage Caravan, Tiansen, Todsünde, Trivium, Twilight Force, Two Steps from Hell, Uriah Heep, Universum25, Unzucht, Velvet Viper, Venues, Victims of Madness, Ville Valo (VV), Vixen, Voivod, Wacken Firefighters, Wardruna, Warkings, While She Sleeps, Whoredom Rife, Xaon, Ye Banished Privateers

Spoken Word: Christof Leim, Kumpels in Kutten (Holger Schmenk und Andreas Schiffmann), Uwe Bahn, Lydia Polwin-Plass und Michael Gläser, Nico Rose, Matt Stocks mit Jim Lindberg (Pennywise), Matt Stocks mit Jesse Leach, Ernie Fleetenkieker (Krachmucker TV), Kay Ray, Torsten Sträter

Neu 2023: Hinzugebucht werden konnte für Besucher die Wacken United Area, ein Ort, an dem Bands und Künstler, Presse und Menschen aus allen Bereichen des Musikgeschäfts zusammenkommen.

Weitere Infos:

Wacken Open Air – Webseite deutsch
Der Micha auf Facebook